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8. Klasse - Schuljahr 2009/2010

Klassenspiel

„Mach jetzt bitte kein Theater!“ ...oder... „Zieh hier doch nicht solch eine Schau ab!“ So oder so ähnlich hört man bisweilen entnervte Eltern tönen, die sich mit den Seelenregungen und oft ungestüm hervorbrechenden Emotionen ihrer pubertierenden Jugendlichen (Kinder darf man ja nicht mehr sagen) konfrontiert sehen. Und es steht sogleich die pädagogische Frage im Raum, welche Aktivitäten in diesem Alter die neuen Kräfte und Energien zu „kultivieren“ vermöchten.  Nun haben die Schüler an unserer Schule wirklich Gelegenheit, in der 8. Klasse Theater zu machen, nicht während des regulären Unterrichts im Klassenzimmer, sondern im Saal auf einer großen Bühne; und dort sollen sie sich dann sogar richtig zur Schau stellen.
Damit diese Schauspielerei auch mit Genuss von einem geneigten Publikum angeschaut werden kann, ist viel Arbeit nötig, einerseits an den Schülern, aber auch von den Schülern selbst wird viel gefordert. Es geht also bei dieser Bühnenarbeit nicht allein um das Darstellen von Charakteren, sondern in gleicher Weise  um die eigene Charakterbildung. Und dazu bedarf es geeigneter erzieherischer Freiräume und „sinnvoller“ Arbeitsfelder. Ein groß angelegtes Theaterprojekt bietet dazu nicht nur im Bereich des Sprechens gute Möglichkeiten; denn nebenbei können sich die Schüler auf sehr vielen Feldern engagieren, was möglichst eigenen Neigungen gemäß und freiwillig geschehen sollte. Erwachsene aus der Lehrer- oder Elternschaft müssen ihnen dabei als Fachautorität zur Seite stehen.
Unsere diesjährigen Schüler fanden in Susanne Jauch eine engagierte Handarbeitslehrerin, die im Unterricht und in Extrastunden jeden einzelnen dabei angeleitet hat, sich ein eigenes Kostüm zu entwerfen und in fleißiger Handarbeit sowie mit der Maschine zu nähen. Mit dem Werklehrer, Dieter
Eisenberg, wurden die Kulissen gebaut, die Frau Scherer in einer frei verantworteten Arbeitsgemeinschaft mit neun besonders interessierten (oder wegen ihrer Begabungen von der Klasse erwählten) Schülern entworfen und farblich ausgestaltet hat. Frau Nina Müller-Gehr hat mit den Mädchen in den Turnstunden eine Choreografie für den Tanz beim Hochzeitsfest einstudiert (deren Grundelemente den Buben dann „vermittelt“ wurden). Darüber hinaus entstand unter ihrer Anleitung ein Programmheft, das wiederum von einer Fachfrau unseres Öffentlichkeitskreises, Reni Drechsel, in ein  druckfähiges Format getrimmt wurde. Die Musiklehrerin, Karin Ort, hat es übernommen, die musikalischen Einlagen aufführungsreif zu polieren und viele musikalische Einfälle beizusteuern. Plakate entstanden bei Frau Caria Kutzberger in der Gruppe des „Praktischen Zuges“. Die deklamatorischen Möglichkeiten wurden in der achtjährigen Klassenlehrerzeit kontinuierlich durch tägliche künstlerische Sprechübungen geschult. Beim Schminken halfen sieben Mütter, die das uneingeschränkte Vertrauen der Schüler genossen, so dass sie sich sogar an Haut und Haar, den heikelsten Bereichen ihrer gegenwärtigen Identitätssuche, die für ihre Rolle nötigen Eingriffe zur Idealisierung gefallen ließen. Die lieben Frauen Eiling, Emmert, Myhres, Pregizer, Raab, Weber waren dann auch während der Aufführungen ein Trost bei Lampenfieber und ein Garant für den reibungslosen Ablauf hinter den Kulissen.   

Die Schüler konnten ihr Stück nicht aus mehreren Vorschlägen auswählen, sondern der Klassenlehrer hat sich auf die Suche gemacht und ein Schauspiel für die Klasse bearbeit – also gekürzt und in vielen Teilen umgeschrieben, um es dem Alter  anzupassen. Die aufbereitete Textvorlage wurde den Schülern in mehreren Unterrichtsstunden lesend und zum Teil auch spielend vorgestellt. Mit diesem Erlebnis waren sie dann vorbereitet, um zu „beurteilen“, ob sie sich für dieses Spiel erwärmen wollen. Bald hatte die Klasse aber an dem Stück „Wie es Euch gefällt“ genügend Gefallen gefunden, so dass mit Beginn der 8. Klasse die Rollenverteilung stattfinden konnte. Da kaum ein Stück mit genügend gleichwertigen Rollen für 36 Spieler zu finden ist, galt es nun, jedem einen „ordentlichen“ Textteil anzuvertrauen, der, so gut es eben geht, auf der Bühne vorzustellen wäre. So wurde beim Verteilen weniger auf den Charakter der Figuren geschaut als auf die Zeilenzahl, wobei die großen Rollen auf zwei bis drei Spieler verteilt werden sollten. Wenngleich viele Schüler sich mit dieser Art Aufteilung zunächst gar nicht anfreunden konnten, war es in der Probenarbeit gar kein Problem mehr und auch bei den Aufführungen war das ästhetische Vergnügen des Publikums dadurch nicht gemindert, zumal wir sehr bemüht waren, durch kostümliche Charakterisierung die Figuren zu vereinheitlichen. Die Partien wurden frei ausgehandelt und bei individuellen Vorlieben, konnten Doppelbesetzungen helfen, wobei man dann in den
vier geplanten Aufführungen eventuell nur zweimal zum Zuge kam.
Auf einem rückblickenden Elternabend wurde es für gut befunden, die sehr zeitaufwendige und einen sicheren Geschmack voraussetzende Schmink-
tätigkeit nicht in Schülerhand zu geben.

In der „heißen“ zwei- bis dreiwöchigen Probenphase mit ausgesetztem Unterricht hat es sich auch als sehr förderlich erwiesen, die gesamte Klasse  in gewohnter Regelmäßigkeit von 7.45 Uhr an bis in den Nachmittag gegen 15.00 Uhr  anwesend zu halten und verbindlich ein gemeinsames  Mittagessen in unserer Schulmensa einzunehmen. Das Gemeinschaftserleben wurde dadurch sehr gefördert. Wenn nur Teile der Klasse auf der Bühne gebraucht wurden, waren die anderen angehalten, ihre schon angelegten Szenen mit den entsprechenden Spielpartnern in irgendwelchen freien Räumen der Schule zu perfektionieren. Weiterhin war es mit den Eltern abgesprochen, dass sie daheim die Schüler erinnern, jeden Tag Material für eine selbständige Beschäftigung während der probenfreien Stunden einzupacken. So übten die Schüler Vokabeln aus dem Sprachunterricht oder arbeiteten an ihrer „Jahresarbeit der 8. Klasse“.
Am Ende des Tages sollte jeder Schüler in seinem Bühnentagebuch notieren, wie die Probe verlaufen war oder wie er sich sonst beschäftigt hatte. Bei der täglichen Kontrolle dieser Rechenschaftsberichte taten sich allerdings viele Elternhäuser schwer, die Verabredungen einzuhalten, und empfahlen auf dem Elternabend, dass die sog. Freiarbeit in der Schule durch Lehrer beaufsichtigt werden sollte, z.B. jene, die laut Stundenplan ohnehin in der Klasse wären. Freiheit ist gut, aber eine wohlwollend motivierende Beaufsichtigung auch.
Weiterhin wurde aus allen Familien bestätigt, durch das Schauspielprojekt mit seinen vielfältigen Betätigungsfeldern seien deutliche Entwicklungsschritte hin zur Persönlichkeitsstärkung und zur Eigenständigkeit im Arbeiten bemerkbar gewesen. Und gerade bei jenen Kindern, die sich neben ihrer Rolle in vielen Bereichen engagierten, zeigten sich die Eltern überrascht, welche Kräfte mobilisiert wurden und dass keine Erscheinungen von Überlastung zu bemerken waren. Die Schüler sind also trotz und wegen ihrer körperlich-seelischen Umbauphase durchaus stark zu fordern, wobei es von erzieherischer Seite eben „nur“ einer besonderen Anregung bedarf. Kräfte und Fähigkeiten sind zu diesem Zeitpunkt offenbar reichlich veranlagt.
Wenn man nun abschließend fragt, was denn ein erfolgversprechendes Klassenspielprojekt ausmacht, so sollten bei der Rollenvergabe keine Stars gezüchtet werden, sondern unabhängig von den schulischen Leistungen muss jeder Schüler mit einer soliden Textpartie versorgt sein, die dann den eigenen Möglichkeiten entsprechend einstudiert wird. Dabei kann man durchaus erleben, dass die Akteure sich einem  ziemlich homogenen Leistungsniveau angleichen, selbst wenn die sog. Hauptrollen solchen Schülern gespielt werden, die im Unterricht nicht eben die Vorreiter sind, denn „Es wächst der Mensch mit seinen höhern Zweckent!“  Weiterhin ist es in dieser Altersstufe äußerst wünschenswert, wenn musikalische sowie tänzerische Elemente eingebaut sind, die im weitesten Sinne das Taktgefühl schulen und eine kultivierte Begegnung (Berührung) von Männlein und Weiblein ermöglichen. Der Umgang mit der Scham und deren Überwindung will auch gelernt sein!
Als sehr hilfreich hat es sich auch erwiesen, dass zum Auftakt der Schauspielarbeit im Hauptunterricht eine Epoche zu den „Vier Temperamenten“ die Schüler für die unterschiedlichen Gemütslagen sensibilisierte und ihnen zugleich ein Vokabular an die Hand gab, um beispielsweise die Nachdenklichkeit einer Person mit den Merkmalen des Melancholischen in Verbindung zu bringen.

Die tägliche Rückbesinnung mit einem Eintrag im Bühnentagebuch kann den Schülern helfen, die Höhen und Tiefen der Einstudierungsarbeit, also auch die Reibereien mit der Regie oder den Mitschülern in eine objektivierende Distanz zu rücken, denn nach einem Tag oder einer Woche kann der Frust oder die Krise längst in das positives Erlebnis gesteigerter Fähigkeiten übergegangen sein. Und in späteren Jahren sind dann diese persönlichen Aufzeichnungen vielleicht sogar noch sprechender als ein Video von einer gelungenen gemeinschaftlichen Leistung der Klasse.
Joachim Maidt (L)

 

 

 

 

„Jahresarbeiten“ in Klasse 8

Während die Jahresarbeit in unserem Würzburger „Schulprofil“ nur für die
11. Klasse verankert ist, nutzen viele Schulen das Instrument der individuellen Projektarbeit auch schon in der ausgehenden Mittelstufe, um den jüngeren Schülern ein Feld zu eigenständigem Arbeiten zu eröffnen.
Mit den Eltern der diesjährigen 8. Klasse wurde noch im Herbst besprochen, dass die Schüler sich ein Interessengebiet für die praktische Tätigkeit und ein damit zusammenhängendes theoretisches Thema wählen dürfen. Sie sollten ihre Aufgaben allein bewältigen können, wobei es ihnen frei stand, sich eine fachmännische Betreuung zu suchen.

Die schriftliche Arbeit  sollte etwa 15 handgeschriebene Seiten umfassen. Für die Darstellung der Themen wurde von jedem Schüler ein kleiner Vortrag von 7 – 10 Minuten erwartet, bei dem er vor allem Schildern sollte, was ihm wichtig war und was ihn am meisten begeistert hat.

Eine Jahresarbeit ist selbstverständlich nur eine Schuljahresarbeit. So wurden erst kurz vor Weihnachten die Themen mit dem Klassenlehrer endgültig festgemacht, wobei sich dieses Geschäft in einigen Fällen dann doch noch länger hinzog. Sicherlich haben die Elternhäuser auch viel über ihr Kind erfahren; denn hier zeigt sich ganz deutlich, ob jemand bei einer eigenverantwortlichen Arbeit fleißig und kontinuierlich, zögerlich oder wohl gar erst auf den letzten Drücker zur Tat schreitet. Zugleich sollte  die Arbeit dazu dienen, im März bei den intensiven Bühnenproben fürs Klassenspiel auch die Freistunden sinnvoll zu füllen, was von vielen Schülern durchaus dankbar aufgegriffen wurde.

Als wir neben der Monatsfeier am 8. Mai mit einer Ausstellung im Blauen Eurythmiesaal unsere Jahresarbeiten präsentierten und am Nachmittag die Vorträge vor Eltern und Freunden gehalten wurden, waren wir in einer wahren Festtagsstimmung und erlebten angesichts der vielfältigsten individuellen Leistungen, welche unterschiedlichen Kräfte in einer Klassengemeinschaft harmonisch vereint und wirksam sein können.

Joachim Maidt (L)
 

 

Ausschnitte aus den Projektarbeiten